Mein erstes Fûryû-Gasshuku war lang ersehnt. Es ist bereits 20 Jahre her, dass ich zuletzt in ein Trainingslager gefahren bin. Die Vorfreude war somit entsprechend groß.
Einmal im Jahr zieht der Karateverein Fûryû aus Königsbrück für sein Trainingslager nach Schellerhau. Wir Dresdner waren eingeladen uns ihm anzuschließen. Dank der vorbildlichen Organisation durch Furyu verlief die Anreise über Fahrgemeinschaften genauso reibungslos wie die Verteilung der anderen Aufgaben, wie z.Bsp. Kochen, Einkaufen, Abwaschen, usw. .
Am Freitag gegen 18 Uhr im Schullandheim Mayenhof angekommen, kamen seinem Flair geschuldet, bei einigen Teilnehmern schöne Erinnerungen an frühere Klassenfahrten auf. Die Unterkunft liegt in ruhiger Hanglage und ist umgeben von Wiesen und Waldflächen. Erstere sollten für die nächsten zwei Tage unsere Trainingsfläche sein und eine von ihnen wurde auch sogleich für eine Einheit Yamane ryû (Kampf mit dem Langstock – auch Bo genannt) genutzt. Sensei Hendrik Felber schaffte es bei dieser wie auch den nächsten Einheiten, die doch sehr heterogene Gruppe so zu fordern, so dass Neulinge und Fortgeschrittene gleichermaßen profitieren konnten. Keine leichte Aufgabe. Gelingen konnte dies nicht zuletzt auch dank der Unterstützung seiner Schüler, allen voran Felix. Es war kein leichter Spagat, der in den nächsten Tagen zum Teil auch durch die Teilung in zwei Gruppen gelang.
Bereits nach dem ersten Training war mir klar: Dieses Wochenende wird spürbare Fortschritte meiner Fähigkeiten nach sich ziehen. Aber nicht nur das Training war eine Bereicherung: auch die beiden Abende wurden mit Gesprächen und Gesang, sogar begleitet durch Gitarren und einer Cajon, gut gefüllt. Dies trug vermutlich ebenso zu der sehr offenen, von gegenseitigem Interesse und Neugier geprägten Atmosphäre bei, wie die Unterbringung in Mehrbettzimmern und natürlich das gemeinsame Training.
Mit den ersten Sonnenstrahlen, die teilweise noch hinter einem Wolkenschleier versteckt warteten, begann der nächste Tag schon 7 Uhr erneut mit einer Einheit Yamane ryû und wurde nach dem Frühstück bis in den frühen Nachmittag mit Übungen zu den Solo-Formen Shiho-uke sowie Tai-sabaki-gata und der Partnerform Uke-waza fortgeführt. Nach dem Mittag und einer kurzen Pause folgte eine weitere Einheit, an deren Ende ein freies Training stand. Dies nutzten Einige um sich mit ihren mitgebrachten Kobudô-Waffen, wie Tonfa, Sai oder Kama, zu beschäftigen. Nach einem ausgiebigen Abendessen, welches von einigen Gasshuku Teilnehmern mit nicht unerheblichem zeitlichem Aufwand vorbereitet wurde und einem Abend mit Musik, folgte eine kurze, aber erholsame Nacht. Schlaf war nach diesem ereignisreichen Tag auch dringend nötig.
Der Sonntag begann zur gleichen frühen Stunde mit Yamani ryû im noch taunassen Gras direkt hinter dem Mayenhof. Dabei wurden nochmals Inhalte der letzten Einheiten aufgegriffen. Für mich als Anfänger hieß das: allgemeine Übungen zur Verbesserung des flüssigen Handlings mit dem Bo, Kamae-waza, sowie eine Partnerübung, die von Hendrik als eine der Grundformen unseres Bo-Stils betitelt wurde. Auch wenn das unvermeidliche Ende nun schon in Sichtweite war, wurde auch nach dem Frühstück noch ein letztes Mal der Weg den Hügel hinauf gewählt, um dort zu einer Einheit Heishu-waza zusammenzukommen. Diese lief von Beginn an etwas kämpferischer ab. Hier bekam jeder nochmal die Chance zumindest einmal mit allen Karate-Trainierenden die „Waffen“, also unsere Fäuste, offenen Hände, Ellenbogen, Füße und Knie, zu kreuzen. Wie den Tag zuvor endete auch diese Einheit mit einem freien Training, das jeder für sich nutzen konnte. Ich entschied mich meine 45 Minuten dem Bodenkampf, der Kata Ryushan, sowie einer ausgiebigen Abschlussdehnung zu widmen, während mir die inzwischen erstarkte Septembersonne auf den Kopf schien.
Nach dem Packen und Grobreinigen endete das Wochenende mit der Verwertung und Verteilung der Vorräte. Der Abschied von allen dreiundzwanzig Teilnehmern, von denen ich zu meinem Glück den Einen oder Anderen besser kennenlernen durfte, zeigte deutlich wie gut einen die gemeinsame Leidenschaft zusammen bringen kann.
Ich freu mich jetzt schon auf ein Wiedersehen – wahrscheinlich bei einem Lehrgang, Training oder dem nächsten Fûryû-Gasshuku.
Tom Müller